Fragwürdige Corona-Verordnungen: Reicht einmal Sex?

Neuerdings darf sich ein Single in Berlin nach 21 Uhr nur noch mit nicht vorhandenem Partner treffen. Kann das funktionieren?

Bleib ich alleine, wenn die Sonne untergegangen ist? Als Single fühlt man sich in Berlin gerade so

Gemäß aktuellster Corona-Verordnung dürfte ich mich als Single nach 21 Uhr nicht mehr mit einer Person aus einem anderen Haushalt treffen. Höchstens noch mit meinem Partner oder meiner Partnerin. Da stellt sich mir erst einmal die Frage: Ab wann spricht man von Partner oder Partnerin? Reicht für diesen Status einmal Sex oder muss man dafür mit jemandem, sagen wir, sechs Monate zusammen sein? Gilt platonische Liebe auch? Und: Muss ich jetzt wirklich ganz dringend mein Tinder-Profil aufpeppen, wenn ich in den nächsten Wochen oder Monaten abends nicht allein auf der Couch veröden möchte?

Es ist so weit, als bislang treuer Befolger aller Coronaregeln und klarer No-Covid-Befürworter muss ich sagen: Ich werde mich nicht an diese Maßnahme halten. Und ich kann mir auch kaum vorstellen, dass das irgendjemand tut. Zu Champions-League-S­pielen habe ich mich seit der Coronazeit immer mit meinem Bruder zum gemeinsamen Gucken getroffen. Wir waren beide stets schön brav im Lockdownmodus und einmal alle paar Wochen gab es gemeinsames Fußballschauen. Das soll jetzt nicht mehr erlaubt sein.

Selbst eine Ausgangssperre, die als einigermaßen harter Eingriff in die Grundrechte gilt und die Berlins Bürgermeister Michael Müller kritisch sieht, würde uns den Championsleague-Spaß zu zweit weiter ermöglichen. Mein Bruder könnte ja bei mir übernachten. Aktuell begehen wir, wenn er nach Anpfiff immer noch bei mir hockt, dagegen eine Ordnungswidrigkeit. Das ist uns jetzt einfach mal egal.

Es stößt auch komisch auf, dass mir ausgerechnet ein Berliner Senat, der mitten in die dritte Welle hinein absurde Öffnungsorgien feiert, der den Zusammenhang mit steigenden Inzidenzen und Notbremse auslegt, wie es ihm passt, und nicht mehr bereit ist, bis hundert zu zählen, der rumeiert und sich zum Virologenschreck gemeistert hat, mich derart gängeln will.

Singlefeindliche Verordnung

Die Lockerungen im Sinne des Handels sollen mit einer unangemessenen Verschärfung im Privaten ausgeglichen werden. Da würde ich ja vielleicht sogar noch mitgehen. Nur trifft diese Verschärfung nicht alle gleich, sondern vor allem die Gruppe der Singles. Und was ist überhaupt eine Verordnung wert, wenn man nicht bestraft werden kann, falls man gegen sie verstößt? Dann sollte man sie doch eher eine Empfehlung nennen, denke ich. Denn wie soll die ­Verfolgung des Partner-ist-erlaubt-Gebots in der Praxis aussehen?

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Kann mich mein Nachbar verpetzen, wenn aus meiner Wohnung keine typisch partnerschaftliche Geräuschkulisse etwa von sinnlosem Streit über Nichtigkeiten oder bestenfalls hingebungsvollem Beischlaf zu vernehmen ist, sondern deutlich vernehmbar nur freundschaftliches Geplauder?

Gibt es Kontrollen nach 21 Uhr, bei denen ich mit meinem besten Freund vor den Augen eines Ordnungshüters einen glaubwürdigen Zungenkuss austauschen müsste, um zu belegen: Der ist mein Partner?

Regeln, die nicht zu verstehen sind und deren Einhaltung nicht wirklich überprüfbar sind, führen zum Vertrauensverlust der Bevölkerung gegenüber dem Coronamanagement der Politik. Das predigen Experten schon seit Monaten. Aber was wissen die schon, scheint sich der Berliner Senat beim Aushecken seiner singlefeindlichen Verordnung gedacht zu haben.

Die Virologen warnen ja auch ständig davor, Schulen und Geschäfte ohne schlüssige Test­strategien zu öffnen. Denen hört man einfach auch nicht mehr zu. Der Ruf, die Kontaktsperre für Singles nach 21 Uhr zurückzunehmen, verhallt sicherlich auch ungehört.

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