Die Lust auf Fleisch ist ungebrochen: Rund 60 Kilogramm Rind, Schwein & Co. isst jeder Deutsche statistisch gesehen pro Jahr. Doch Lebensmittelskandale werfen immer wieder Fragen auf: Wie zuverlässig ist die Qualität unserer Fleischprodukte wirklich? Worauf sollte man beim Kauf und der Zubereitung achten? EAT SMARTER hat bei Wissenschaftlern und Experten nachgefragt.
Ist der Mensch von Natur aus ein Fleischesser?
Fleisch stand bereits vor Jahrtausenden auf dem Speiseplan unserer Vorfahren. Knochenfunde belegen: Schon die Neandertaler waren Fleischkonsumenten. Einige Anthropologen vermuten, dass der Verzehr zum Wachstum des menschlichen Gehirns beigetragen haben könnte. „Wir besitzen also durchaus die Anlagen und Voraussetzungen, um Fleisch zu essen“, sagt Prof. Dr. Bernhard Watzl, Leiter des Instituts für Physiologie und Biochemie der Ernährung am Max Rubner-Institut (MRI), dem Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Das bedeute aber nicht, dass wir ohne Ende Fleisch essen sollten. „Der Mensch ist kein Fleischesser, er ist ein Allesesser. Nur weil wir heute ein Überangebot an Fleischprodukten haben, ist dies kein Freibrief für den Konsum. Fakt ist: Wer zu viel Fleisch isst, riskiert Krankheiten“, sagt Walz.
Ist es ungesund, täglich Fleisch zu essen?
Fleisch – egal welche Sorte – liefert wertvolle Nährstoffe. Darunter Eiweiß, Eisen, B-Vitamine und Mineralien. Aber schadet es nicht, täglich Fleisch zu essen? „Nein“, sagt Prof. Bernhard Watzl vom MRI, „es kommt auf die Menge, auf die Fleischqualität und die -art an.“ Orientieren kann man sich an den Vorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Diese besagen: Pro Woche sollte man nicht mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurstwaren zu sich nehmen – andernfalls erhöht sich das Risiko für die Entstehung von Krebs oder einem Herzinfarkt. Wichtig auch: Der Verzehr von weißem Fleisch (Geflügel) wird eher empfohlen als der von rotem (Rind, Schaf, Schwein). Statt Wurst, die viel Salz und Fett enthält, sollte man darüber hinaus lieber mageres, selbst zubereitetes Fleisch genießen.
Wo gibt es das beste Fleisch der Welt?
Ist weißes Fleisch gesünder als rotes?
„Das beste Fleisch der Welt gibt es immer dort, wo Sie zu Hause sind“, sagt Dagmar Brüggemann, Leiterin des Instituts Sicherheit und Qualität bei Fleisch am MRI. Die Expertin ist sich sicher: Fast alle Länder besitzen Produkte, auf die die Bewohner stolz sein können und deren Qualität stimmt. „Die Fleischindustrien einiger Nationen stecken allerdings viel Geld in die Entwicklung bestimmter Marken“, sagt Brüggemann. Aus diesem Grund seien manche Produkte sehr bekannt. Dazu zählen Lammfleisch aus Neuseeland, Rindfleisch aus Argentinien und Schweinefleisch aus Dänemark. „Parallel dazu gibt es jedoch fast überall kleinere Betriebe, die genauso gute oder sogar bessere Produkte erzeugen, überregional jedoch kaum wahrgenommen werden“, sagt Brüggemann. Das bedeutet: Auch weniger bekannte Fleischsorten stehen mitunter für beste Qualität.
Viele halten Geflügel für die gesündeste Fleischvariante, da es besonders mager ist. Zu Recht? „Nicht unbedingt“, sagt Prof. Bernhard Watzl vom MRI. „Grundlegend ist die Frage der Gesundheit vor allem eine Frage der Verzehrmenge“, betont der Experte. Wenn man zwei- oder dreimal rotes Fleisch pro Woche esse, stelle dies kein erhöhtes Gesundheitsrisiko dar. „Insofern sollte man vor allem darauf achten, wie viel Fleisch man isst“, sagt Watzl.
Woran erkennt man gutes Fleisch?
„Das hängt zunächst einmal von der Tierart ab“, sagt Dr. Dagmar Brüggemann vom MRI. Beim Rind bevorzugen Kunden meist ein Stück Muskel, das mit feinen Fettadern durchzogen ist. Dieses von weiblichen Tieren und sogenannten Kastraten (Ochsen) stammende Fleisch sei oft zarter als das aus der Bullenmast, erklärt Brüggemann. Tiere aus der Weidemast erkenne man zudem an der Fettfarbe: „Betacarotin, das im Gras enthalten ist, färbt das Fett gelblicher, während Tiere, die auf der Basis von Kraftfutter gemästet sind, rein weißes Fett haben“, so die Expertin. Bei Schweinefleisch sollte man indes auf die Farbe und den Wassergehalt in der Verpackung achten. „Helles, weißliches Fleisch verliert viel Wasser und wird trocken und hart beim Erhitzen, während dunkles Fleisch häufig leimig ist“, sagt Brüggemann. Diese Leimigkeit könne auch bei Rindfleisch auftreten, darum: „Vorsicht bei zu dunklem Fleisch“, warnt die Institutsleiterin. Beim Einkauf berücksichtigen sollte man zudem den jeweiligen Verwendungszweck der Ware. „Muskelfleisch, das sichtbares Bindegewebe enthält, eignet sich beispielsweise nicht so gut für ein Steak, sondern vielmehr für ein leckeres Gulasch, da es die Speise sämiger macht“, sagt Brüggemann.
Sollte man Bioware anstelle von konventionellem Fleisch kaufen?
„Untersuchungen haben gezeigt, dass sich die Qualität von Biofleisch und konventionell erzeugter Ware kaum unterscheidet“, sagt Dagmar Brüggemann vom MRI. Es gibt allerdings geschmackliche Unterschiede. „Tiere von Biohöfen werden nicht so intensiv gemästet und dadurch älter. Aus diesem Grund kann das Fleisch fester sein: Hähnchen haben oft mehr Biss, Schweinefleisch wirkt manchmal zäher“, erklärt die Expertin. Einen wesentlichen Vorteil hat Biofleisch jedoch: Landwirte dürfen nur natürliche Dünger und Pflanzenschutzmittel zur Futterherstellung verwenden, und ihre Tiere werden äußerst selten mit Antibiotika behandelt. Die Folge: Bioware besitzt kaum antibiotikaresistente Bakterien.
Hat Fleisch tatsächlich Poren?
Man soll Fleisch scharf anbraten, damit sich die Poren schließen und das Fleisch schön zart bleibt: Kennen Sie diesen Ratschlag? Nein? Macht nichts. Denn er ist Unsinn. Fleisch hat gar keine Poren. „Es besteht – je nach Fettgehalt – zu 55 Prozent, maximal jedoch zu 75 Prozent aus Wasser, das lose oder fest an Proteine und sogenannte Proteoglykane gebunden ist“, sagt Dagmar Brüggemann vom MRI. Erhitzen wir Fleisch, wird das Wasser teilweise freigesetzt. „Die Verluste liegen zwischen fünf und sieben Prozent. Der erste Schub erfolgt im Temperaturbereich zwischen 45 und 55 Grad Celsius, der nächste bei ca. 57 Grad Celsius und der dritte im Bereich um 70 Grad Celsius“, erklärt Brüggemann. Wie viel Wasser dabei freigesetzt wird, hängt individuell von der Schlachtung, der Kühlung, der Verpackung sowie der Zubereitungsart des Fleischs ab. „Das Anbraten bei hoher Temperatur hat den Sinn und Zweck, die Oberfläche zu karamellisieren (Maillard-Reaktion). Dieses dient vor allem dem Geschmack. Tatsächlich ist der Wasserverlust jedoch geringer, wenn das Fleisch langsam bei niedriger Temperatur erhitzt wird“, sagt Brüggemann.
Steinzeitdiät: Hilft der Fleischverzehr wirklich beim Abnehmen?
Unverarbeitete Lebensmittel, viel Fleisch, rohes Obst und Gemüse: Mithilfe der Steinzeitdiät haben bereits zahlreiche Stars überflüssige Kilos verloren. Der hohe Proteingehalt des Fleischs, so heißt es, beuge Heißhungerattacken vor und dämpfe den Appetit. Doch ein Diät-Wundermittel sind Steak & Co. laut Prof. Bernhard Watzl nicht. „Entscheidend für den Abnehmerfolg ist nicht der Fleischverzehr, sondern vielmehr die Tatsache, dass man sich auf Basis wenig verarbeiteter Lebensmittel ernährt und Fertigprodukte, die eine hohe Energiedichte haben, meidet“, erklärt der Ernährungsexperte. Zudem müsse man die meist naturbelassenen Lebensmittel der Steinzeitdiät intensiver kauen, zugesetzte Zucker und Fette hingegen würden weitgehend ausgespart. „Die Gewichtsreduktion ist letztlich die Folge einer negativen Energiebilanz“, bestätigt Antje Gahl von der DGE.
Stimmt es, dass rotes Fleisch die Entstehung von Krebs fördert?
Rotes Fleisch, also Rind, Schaf oder Schwein, ist zwar reich an Eisen, das für die Bildung roter Blutkörperchen benötigt wird. Bei zu häufigem Verzehr kann es Studien zufolge allerdings die Entstehung von Dick- und Mastdarmkrebs sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigen. „Insbesondere geräuchertes, gepökeltes, gesalzenes oder chemisch konserviertes Fleisch wie Wurst oder Schinken steht im Verdacht, das Erkrankungsrisiko zu erhöhen“, sagt Ernährungswissenschaftlerin Antje Gahl. Als problematisch gilt der vor allem in rotem Fleisch enthaltene Blutfarbstoff Häm. Er fördert die Bildung krebserregender Eiweißverbindungen, sogenannter N-Nitrosoverbindungen. „Tatsächlich sollte man pro Woche nicht mehr als 600 Gramm Fleisch essen und rotes Fleisch eher selten genießen“, bestätigt Prof. Bernhard Watzl. Einen Eisenmangel müsse man bei einer ausgewogenen Ernährungsweise dabei nicht fürchten.
Schadet unser Fleischkonsum der Umwelt?
Schätzungen zufolge ist allein die Viehhaltung für rund 18 Prozent der vom Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen verantwortlich. Und auch der Futtermittelanbau führt zu starken Umweltbelastungen. Laut den Vereinten Nationen (UN) werden inzwischen drei Viertel aller Agrarflächen für die Tierfütterung beansprucht. Regenwälder gehen verloren, Böden werden durch Pestizide belastet. Verschiedene Organisationen setzen sich deshalb für eine nachhaltige Viehwirtschaft ein.
Wie bereitet man Fleisch optimal zu?
Die beste Zubereitungsart von Fleisch richtet sich stets danach, welche Sorte man zu welchem Zweck verwendet. Aber wie gelingt beispielsweise das perfekte Steak? „Angesehene Küchenchefs tendieren gegenwärtig dazu, Kurzbratstücke des Fleischs – etwa ein Filetsteak – über eine lange Zeit bei niedriger Temperatur im Ofen zu garen (sechs bis acht Stunden bei 53 bis 57 Grad Celsius) und erst am Ende kurz bei hoher Temperatur zu karamellisieren. Aus mikrobiologischer Sicht sollten dabei Temperaturen von 53 Grad Celsius nicht unterschritten und aus sensorischer Sicht 58 Grad Celsius nicht überschritten werden“, rät Dagmar Brüggemann vom MRI.
Ist Wild gesünder als Rind, Schwein und Huhn?
Wildfleisch ist reich an hochwertigen Proteinen und – mit Ausnahme von Kaninchen – besonders mager. Aber ist es auch gesünder als Rind, Schwein und Huhn? „Nicht zwingend“, sagt Prof. Bernhard Watzl. Entscheidend für qualitativ hochwertiges und gesundes Fleisch seien vor allem die Fütterungsweise und eine artgerechte Haltung. „Das gilt für Wild genauso wie für Rind oder Huhn“, betont Watzl. Insofern könne man die verschiedenen Fleischarten nicht so einfach kategorisieren. Allgemein gilt jedoch: Je größer das Engagement und der Aufwand bei der Tieraufzucht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Fleischerzeugnisse eine gute Qualität besitzen und – in Maßen genossen – auch gesund sind.
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